Test & Vergleich des Lime Ears Anima von Benjamin
Von Thomas Scharfenberg am Februar 28, 2023
Heute gibt's mal wieder einen ausführlichen Kunden-Test eines besonderen IEMs - dem Lime Ears Anima. Wobei Benjamin nicht nur Kunde sondern erfahrener Reviewer ist, der jahrelang für eine bekannte Schweizer Audio- bzw. Review-Webseite geschrieben hat!
Autor: Benjamin von Känel
Einleitung
Es muss ein ganz besonderer Ohrhörer sein, welcher es vermag, mich aus meinem selbst gewählten audiophilen Winterschlaf zu wecken. Wobei die Bezeichnung «besonders» im Zusammenhang mit dem Lime Ears Anima eine Untertreibung darstellen könnte.
Kurz vorgegriffen: Der Anima ist gut! So gut, dass er in ruhelosen Nächten fast von allein in meine Gehörgänge geglitten ist, um mich auf eine weitere ausgedehnte «Sound-Expedition» zu entführen.
Besonderen Dank geht an Tom Scharfenberg von www.audioessence.ch, welcher mir den Lime Ears Anima und den Empire Ears Odin ausgeliehen hat. Audioessence hat innerhalb von wenigen Monaten in der lokalen Szene schon gewaltige Wellen geschlagen. Ich bin mehr als gespannt, was die Zukunft
bringt!
Der Inhalt der Box
Dieser ist knapp, aber sehr pragmatisch gehalten. Besonders dankbar bemerkte ich die beiden ddHifi Adapter von 4.4- auf 2.5- und von 4.4- auf 1.5mm. Ebenfalls sehr hochwertig ist das Sowilo-Kabel von Vikingweave-Cable – ein exzellenter Match für die Anima. Ein Austausch des Kabels war also zu keiner Zeit des Tests ein Bedürfnis.
Eine kleine, aber essenzielle Sammlung von verschiedenen Aufsätzen (Final Audio E, SpinFits) ist ebenfalls enthalten. Für den Test machten wieder einmal die Final-E Eartips den ausgewogensten Eindruck. Ebenfalls enthalten und einen Premium-Eindruck machend war die kleine Leder-verkleidete Transportbox.
Technik
Ich war ebenfalls erstaunt, wie gut mich der Anima von Aussengeräuschen abzuschirmen vermag – sowohl ein Fluch als auch ein Segen.
Innerhalb der Verschalung befinden sich sage und schreibe 13 Treiber:
Ein dynamischer Treiber sorgt für ein tief reichendes Bassfundament mit dem, dafür charakteristischen, Ausklang jeder einzelnen Note. Vier weitere Balanced-Armature-Treiber kümmern sich raffiniert um das mittlere und obere Basssegment.
Zwei «belüftete» BA-Treiber kümmern sich um die Mitten. Leider werden technische Hintergründe und deren konkrete Effekte auf die Mitten vom Hersteller nicht weiter beschrieben. Es ist aber anzunehmen, dass diese Art von Treibern den «Vocals» mehr Raum und somit eine luftige Qualität geben.
Während zwei weitere Balanced-Armature – Treiber sich gekonnt um die unteren Höhen kümmern, übernehmen vier Elektrostat-Treiber die oberen Frequenzen bis 20 kHz. Bisher konnte ich allerdings keine Fledermäuse interviewen, welche mir über Klangeindrücke von 20kHz und höher berichteten.
Eine weitere Besonderheit ist der «Organic Horn Nozzle». Laut des Herstellers wurde hier viel getüftelt. Position und Dicke der Bohrlöcher wurde eigens auf die jeweiligen Frequenzen abgestimmt. Laut Hersteller wurden hierzu besonders viele Prototypen benötigt – bedauerlicherweise sind mir keine genauen Bilder und Dokumentationen zu diesem Prozess bekannt.
Ein Blick in den sogenannten «Organic Horn Nozzle»
Soundcheck
Bass
Grundsätzlich bietet der Anima viel Qualität beim Bass. Obwohl dieser Frequenzbereich beim Anima klar angehoben ist, kann man den Anima keinesfalls als «Bass-Head Kopfhörer» bezeichnen - will man noch mehr Quantität, so kann man mit dem Equalizer nachhelfen.
Mitten
Höhen
Trotz des erweiterten Frequenzgangs muss sich hier niemand vor dem «Treble» fürchten – es sind sämtliche hörbaren Höhen vertreten, jedoch höflicherweise einen winzigen Schritt im Hintergrund.
Gesamteindruck
Klanglich ist der Anima mit seiner Musikalität ein Romantiker – ein Schöngeist, welcher sich zum einen der Detailtreue verschrieben hat und es gleichzeitig vermag, vieles mit seiner luftigen Wärme zu beseelen. Hier gilt es noch zu erwähnen, dass der Anima sich auffällig stark an der Harman-Kurve anschmiegt, einem Standartreferenzgang, welcher von einem grossen Prozentsatz von Zuhörern als besonders wohlklingend bewertet wird.
Die Räumlichkeit ist sehr weit und hat durchaus ein gutes Mass an Tiefe. Obwohl verschiedene Stimmen und Instrumente gut getrennt sind, kommt nie ein Eindruck von Inkohärenz auf – ein schlagfertiges Indiz für eine hervorragende Implementierung der 13 unterschiedlichen Treibern.
Die Klangbühne versuche ich mit dem Bild einer breiten, eher schmalen Bühne zu beschreiben, wobei sich der Zuhörer kurz davor befindet. Trotz Wärme und Nähe nehme ich eine unheimliche Luftigkeit wahr zwischen den Instrumenten und auch (oh, das Mysterium!) nach oben.
Vergleich
Lime Ears Anima vs. Empire Ears Odin
Der Empire Ears Odin ist die Referenz in dieser Preiskategorie von Ohrhörern, an dem sich noch zukünftige Generationen messen werden. Schon allein wegen der sogenannten «Weapon lX+», der Technologie hinter dem Bass des Odins,
legitimiert die eingeschworene Kundschaft hinter dem Odin. Ich habe noch nie einen so wohltexturierten, bis in Mark und Bein tief reichenden Bass gehört, welcher sich gleichzeitig auch, wenn nötig, zurückhalten kann.
Der Bass des Anima mag ebenfalls tief reichen und durch die BA Treiber raffiniert, schnell und präzise zuschlagen – übertreffen kann er den Odin aber sowohl in Qualität und in Quantität keinesfalls.
Auch in der Sparte Detailgetreue liegt der Odin vorn. Davon sei allerdings als möglicher Nachteil genannt, dass so auch schlechte Aufnahmen auf unangenehme Weise entlarvt werden können. Der Anima ist ebenfalls sehr detailgetreu. Er entblösst aber Mängel in Aufnahmen weniger unangenehm auffallend.
Grundsätzlich unterscheiden sich die beiden Ohrhörer primär darin, dass der Odin sich auf eine sehr natürliche Klangwiedergabe, mit einer leicht warmen Färbung spezialisiert, währendem der Anima eine extrem musikalische und ebenfalls warme Wiedergabe bevorzugt. Beide Ohrhörer sind sehr energetisch und vermögen den Hörer auf unterschiedliche Weise in den Bann zu ziehen.
Ein grosser Unterschied liegt bei der Klangbühne. Der Odin ist viel dreidimensionaler und «setzt» somit den Hörer in eine Klangsphäre. Dies gelingt sehr kohärent und fesselnd. Der Anima hingegen setzt den Zuhörer vors Geschehen und gibt somit dem Klang und dem Publikum etwas mehr Luft.
Lime Ears Anima vs. Vision Ears EXT
Der EXT wurde als dritter Vergleichskandidat von einem anderen lokalen Händler in Zürich geliefert.
Das Flaggschiff von Vision Ears geht deutlich einen anderen Weg als der Anima und der Odin. Anders als die letztgenannten orientiert sich der EXT nicht an der Harman-Kurve, sondern verfolgt einen etwas V-förmigeren Frequenzgang mit einer Betonung auf den Höhen. Ebenfalls verzichtet der EXT auf BA-Treibern, sondern lässt einen kleineren dynamischen Treiber die Mitten abdecken.
Ansonsten kann es zur unbeliebten Sibillanz (scharfes Zischen in den Frequenzen um 6kHz) kommen. Zusätzlich nehmen Schaumstoffaufsätze (Comply oder SymbioW) den Höhen etwas Schärfe. Sobald dieses Hindernis umschifft wird, ist der deutlich billigere EXT ein fantastischer Konkurrent, welcher durchaus seine Daseinsberechtigung hat.
Der EXT ist wahrscheinlich der analytischste Ohrhörer von den dreien, trotz des leicht angehobenen Bassbereiches und des leichten Fokus auf den Höhen. Von der Luftigkeit des Klangbildes und von der Beschaffenheit und Weite der Klangbühne, setze ich den EXT gleich mit dem Anima. Von der Detailtreue und der Neigung, schlechte Aufnahmen sofort zu entlarven, zeigt der EXT gegenüber dem Odin keine Schwäche.
Der EXT wirkt im Vergleich zu den anderen Ohrhörern eher nüchtern. Er zieht den Hörer nicht unweigerlich in den Bann wie der Odin, noch versucht er durch die samtene Art des Anima den Hörer zu umgarnen. Vielmehr setzt er den Hörer direkt vor das Klanggeschehen und besticht durch seine neutral anmutende, unverblümte Art.
The last word
Equipment
Test tracks
Amber Rubbarth (Scribbled Folk Symphonies) – Lay Your Burden Down
Rebecca Pidgeon (The Raven, Bob Katz 15th Anniversary) - Spanish Harlem
Yasmine Hamdan (Ya Nass) – Deny
Male vocals
Allan Taylor (Stockfish Records, Closer to the Music) – Beat Hotel
Dire Straits – Sultans of Swing
Eagles (2013) – Hotel California
Instrumental
George Benson (White Rabbit) – California Dreaming
Mozart (Karl Bhm, Wr.Philharmoniker 2012) – Requiem in D minor, K.626 – l Introitus
Steve Turre (Spirit Man) – Lover Man
Bad Tracks
Stromae – Ave Cesaria
21 Pilots – Stressed out
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